Ruhe in Frieden.
Lieber Yemi,
jetzt bist du von uns gegangen. Ich versuche zu begreifen was das bedeutet und meine Gefühle zu sortieren. Obwohl mein Verstand weiß, dass du nicht mehr wiederkommst, schreibe ich dir dennoch diesen Brief in der Hoffnung, dass dich diese Worte doch irgendwie erreichen mögen.
Zu erfahren, dass du gestorben bist hat mich einfach nur umgehauen. Ich war geschockt und konnte eine kurze Zeit nicht sprechen. Ich wusste um deine schlimme Krankheit und kannte die düstere Prognose. Doch zu erfahren, dass es nun passiert ist, konnte ich nicht fassen. Ich kann es immer noch nur schwer ertragen, dass du jetzt wirklich weg bist. Am Wochenende hast du noch den Kontakt zu mir gesucht und mich gefragt, ob ich nochmal mit dir rappen würde. Ich konnte in deiner Stimme hören, dass es dir wieder schlechter geht, doch deine Worte waren wie immer: voller Tatendrang.
Und so kannte ich dich. Voller Taten. Immer unterwegs. Ein freundliches Lächeln hier, ein kleiner Schnack da, ein herzliches Moin dort. Du warst jemand, den alle kannten und den die meisten natürlich mochten. Du warst ein Tausendsassa, ein Entertainer, wortwörtlich ein Hans Dampf in allen Gassen. Eben unser Hanseknaller. Wo du warst, war Action. Du hast wahrlich nie den Konflikt gescheut, warst aber auch mindestens genauso gut darin Situationen zu lösen und Auseinandersetzungen friedlich beizulegen und Streitereien zu schlichten.
Wir beide haben viele Leidenschaften geteilt. Insbesondere die Liebe zur Rap-Musik, die Feierei, schöne Frauen, Fußball und Sport im Allgemeinen, aber auch das generelle Interesse an Menschen. Du hattest vor allem immer offene Augen und Ohren für die Kinder und Jugendlichen. Nur für dein scharfes Wssen konnte ich mich leider nie so richtig begeistern. Da war ich dann doch zu sehr an den Alman-Geschmack von meiner Familie gewöhnt.
Wir haben viel gelacht, uns auch mal gestritten und als wichtige Beziehungen krachten oder ein gemeinsamer Freund gestorben ist, haben wir sogar zusammen geweint. Wir haben oft zusammen gegessen, waren an der Ostsee zelten und haben uns regelmäßig die Nächte in Altona und St. Pauli um die Ohren geschlagen. Wir hatten so viel Spaß in all den Jahren. Du hast mir beigebracht wie man auf ausverkaufte Konzerte kommt und ohne Geld betrunken wird. Alleine auch was wir gemeinsam an Veranstaltungen auf die Beine gestellt haben. Wahnsinn.
Knapp zwanzig Jahre lang hast du die Hip Hop-Bühne auf der Altonale organisiert. Und wie du so vielen von uns jedes Jahr aufs Neue mit der Orga auf den Sack gegangen bist. Trotzdem waren alle da. Ich wünschte, du könntest mich noch einmal nerven und mir meine Mailbox vollquatschen.
Du hast für mich und viele andere die Altonale geprägt wie kein zweiter. Du warst die Altonale und die Altonale war Yemi. Einmal im Jahr sind alle rausgekommen und haben sich an der Bühne getroffen um zusammen zu feiern. Für die meisten von uns ein absoluter Pflichttermin, dem viele jeden Sommer wieder mit Freude entgegengefiebert haben. Auf der Altonale hat man sie alle wiedergetroffen. Und man konnte dich in deinem Element bewundern. Du hast die Menschen zusammengebracht. Du hast dir den Arsch dafür aufgerissen, dass die „Boogie Down Stage“ auf der Altonale alles sprengt. Du hast immer wieder das Unmögliche möglich gemacht. Du hast die kleinen und großen Acts auf der Bühne zusammen auftreten lassen. Bei dir waren alle gleich wichtig. Und was nicht alles schief gelaufen ist. aber keine Panik, Yemi kennt da jemanden, der uns helfen kann.
Aussichtslosigkeit hat es bei dir scheinbar nie gegeben. Du hast früh gelernt dich durchzuboxen. In deiner Kindheit wurdest du aufgrund deiner Hautfarbe oft gehänselt. In der Jugend hast du auch nicht immer den leichtesten Weg genommen. Doch mit Najumas geburt hat sich dein Leben von jetzt auf gleich geändert. Du warst nicht mehr nur für dich selbst verantwortlich, sondern hattest eine Familie zu versorgen. die ersten Jahre waren hart, aber auch da hast du dich rausgekämpft und letztlich gelernt dich vor dir selbst zu schützen.
Du hast angefangen deine Aus- und Fortbildungen zu machen und dein berufliches Glück in der sozialen Jugendarbeit gefunden. Das hast du mit so einer Leidenschaft und Authenzität getan, dass es viel mehr war als bloß ein Job zum Geld verdienen. Du wusstest wirklich was auf der Straße los ist. Du kanntest die großen und kleinen sorgen deiner Mitmenschen. Dir konnte man nichts vormachen. Ein Blick hat genügt und es hieß: „Digga, spinn mich nicht voll!“.
Jetzt bist du nicht mehr da. Und ein kleines Stückchen in meinem Herzen hast du mitgenommen. Du hast genau wie ich dein ganzes Leben in Altona verbracht. Ich weiß nicht mehr genau wie wir uns kennengelernt haben, doch dich nicht zu kennen war eigentlich unmöglich.
Mein Bruder, ich bin so traurig. Du reißt eine lücke in unser aller Herzen. Du hast dich immer nach der Familie erkundigt und gefragt wie es allen geht. Ich übertreibe nicht, wenn ich sage, dass ein Stückchen Altona gestorben ist. Du hast diese Straßen gekannt wie kaum ein zweiter und ich bin fest davon überzeugt, dass niemals jemand diese Lücke füllen kann. Keiner kannte uns alle so wie du.
Zu wissen, dass dir Maren die letzten Monate nicht von der Seite gewichen ist und ihr die schönen Momente zu genießen wusstet, beruhigt mich sehr. Geteilte Freude, ist doppelte Freude. Geteiltes Leid, ist halbes Leid.
Du bist viel zu früh gegangen. Du hattest noch so viel aufm Zettel. ich hoffe du bist jetzt an einem besseren Ort. Und ich hoffe du wartest dort auf uns. Ich freue mich schon darauf dich wiederzusehen.
Danke, dass ich dich kennenlernen durfte.
Ruhe in Frieden.
In Liebe
Dein Freund Dennis mit Nora, Hans und Peter